Saubere Energie – aber ohne dreckige Rohstoffe

2. Nov 2021 | Gastbeitrag

Philippinen: Problematischer Nickelabbau

An der 26. UNO-Klimakonferenz (COP26), die vom 31. Oktober bis 12. November 2021 in Glasgow stattfindet, steht viel auf dem Spiel: Die Welt ist drauf und dran, das Ziel des Pariser Klima-Übereinkommens von 2015 zu verfehlen. Damals haben sich 189 Staaten – darunter die Schweiz –sowie die EU zur Verminderung ihrer Treibhausgasemissionen verpflichtet, um den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen. Laut den Vereinten Nationen steuern wir heute jedoch auf eine globale Erwärmung von fast drei Grad bis Ende des Jahrhunderts zu. Absehbar sind weltweit verheerende Folgen. Gemäss den Prognosen werden die ärmsten Länder überdurchschnittlich unter den Folgen von zunehmenden Naturkatastrophen und dem Anstieg des Meeresspiegels leiden, obwohl sie am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben. Bereits herrschende Ungerechtigkeiten werden damit weiter wachsen. Dazu trägt auch bei, dass technische Lösungen mitunter neue Probleme schaffen.

Verschärfung globaler Ungerechtigkeiten

Um die Klimakrise einzudämmen ist etwa die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien unabdingbar, auch beim Verkehr. Elektrofahrzeuge brauchen für die Stromspeicherung allerdings grosse Mengen an Batterien, was zu einem exponenziell wachsenden Bedarf an sogenannten «Transitions-Mineralien» wie Lithium, Kobalt und Nickel führt. Schon heute verursacht der Abbau solcher Rohstoffe weltweit gewaltige Umweltprobleme. Zudem kommt es in diesem Sektor immer wieder zu gravierenden Menschenrechtsverstössen. Diese Risiken und Schäden werden mit der wachsenden Nachfrage nach Batterie-Rohstoffen weiter zunehmen.

Nickelindustrie verursacht Schäden

Massnahmen zur Bewältigung der globalen Klimakrise sind dringend notwendig, «aber es ist nicht fair, wenn Menschen in gefährdeten Entwicklungsländern wie den Philippinen die Hauptlast dabei tragen müssen», gibt die philippinische Umweltanwältin Grizelda Mayo-Anda zu bedenken. In einem aktuellen Kurzvideo von Electronics Watch, einer Partnerorganisation von Brot für alle, zeigt sie, welche Folgen die Ausdehnung der Nickelbergwerke auf Palawan, einem touristisch erschlossenen Inselparadies, hat, dessen Fläche heute noch zu 50 Prozent von tropischem Urwald bedeckt ist. Doch das lokale Ökosystem ist fragil. Wenn die Bäume gefällt und die dünnen Humusschichten im hügeligen Gebiet abgetragen sind, erodiert der Boden – besonders während der zunehmenden Wirbelstürme und in der Regenzeit. Toxischer Schlamm aus den Nickelminen verschmutzt zudem die Gewässer und beeinträchtigt die Gesundheit der lokalen Bevölkerung; viele Kinder leiden an Hautausschlägen. «Es gibt zwar Gesetze zum Schutz von Wald und Wasser», sagt Mayo-Anda, «aber sie werden nicht eingehalten.»

Indigene Bevölkerung am stärksten betroffen

Besonders betroffen sind indigene Menschen, die bis anhin im Einklang mit der Natur vom Jagen, Sammeln und Kleinanbau leben. Ein weiteres Video zeigt, wie lokale Gemeinschaften auf der philippinischen Insel Mindanao mit Gewalt von ihrem angestammten Land vertrieben wurden. In Zeltlagern sowie in den von einzelnen Bergwerksunternehmen erstellten Betonsiedlungen fehlt ihnen nicht nur ihre Lebensgrundlage, sondern auch Bargeld. Darauf sind sie mehr denn je angewiesen, da sie sich, ohne Land und Zugang zum Wald, nicht mehr selber versorgen können. «Die versprochene Entschädigung wurde jahrelang nicht bezahlt», klagt der junge Dorfbewohner Nico Delamente im Film. Das Geld reiche kaum fürs Überleben und er würde das Rad der Zeit gerne zurückdrehen,  fährt er fort: «Nicht einmal unsere Stammesältesten rechneten mit diesen Folgen. Hätten wir um die Auswirkungen des Bergbaus gewusst, wir hätten niemals zugestimmt.» Indigene, die sich zu den Missständen äussern, leben jedoch gefährlich. Nico Delamante wurde am 20. Januar 2017 von Unbekannten ermordet – an jenem Tag, als er vor der nationalen Kommission für indigene Angelegenheiten über das Leiden seiner Gemeinschaft aussagen und sich damit gegen eine weitere Minenexpansion wehren wollte.

Sorgfaltspflicht, Recycling und alternative Mobilität als Lösung

Brot für alle und Fastenopfer setzen sich dafür ein, dass Risiken und Schäden durch den global wachsenden Rohstoffbedarf für die Energiewende nicht einfach ausgeblendet werden. Dazu fordern wir Massnahmen auch im globalen Norden:

  • Elektrofahrzeug- und Batteriehersteller müssen ihre Sorgfaltspflicht entlang der gesamten Lieferkette wahrnehmen – bis hin zu den Rohstoffen.
  • Die Politik soll Anreize und Regulationen schaffen, damit Batterien recyclingfähig sind, lange genutzt und anschliessend weiterverwertet werden. Dadurch vermindert sich der Bedarf an ständig neu geförderten Rohstoffen.
  • Auch eine generelle Reduktion des Fahrzeugbestands begrenzt den Rohstoffbedarf. Dazu braucht es Veränderungen beim Mobilitätsverhalten, etwa durch den vermehrten Umstieg auf den öffentlichen und den Velo-Verkehr oder durch Carpooling.

 

Dieser Beitrag erschien als Blog bei Brot für alle. Hier finden Sie den ursprünglich Beitrag.

Portrait Karin Mader
Karin Mader

Brot für alle, Fachexpertin für Wirtschaft und Menschenrechte.

Hinweis:

«Die Batterie – Knackpunkt der Elektromobilität» von Brot für alle, Fastenopfer und dem Verkehrs-Club Schweiz, 2020

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