Existenzsichernde Einkommen für alle
Auch hohe Wohnkosten in Städten und hohe Krankenkassenprämien belasten Haushalte mit tiefen Einkommen stark. Viele verzichten aus finanziellen Gründen auf notwendige Arztbesuche. Das kann zu gesundheitlichen Folgeproblemen oder gar Behinderungen führen, die wiederum ein Armutsrisiko darstellen.
Die Schweiz verfügt über ein gutes Sozialsystem. Aber es gewährleistet nicht die Existenzsicherung für alle. Beispielsweise ist Care-Arbeit schlecht abgesichert, was vor allem Frauen benachteiligt. Und es gibt Hürden beim Zugang zum System der sozialen Sicherheit für Menschen ohne Schweizerpass. Anstatt diese Lücken zu schliessen, verstärken Sparmassnahmen in den Sozialversicherungen sowie die Verknüpfung von Ausländerrecht und Sozialhilfe den Druck auf in Armut lebende Menschen.
Eine nachhaltige Armutsprävention und -bekämpfung braucht eine Strategie und verlässliche Datengrundlagen. In der Schweiz fehlt beides. Auf nationaler Ebene ist mit dem Aufbau eines Armutsmonitorings ein grosser Schritt gemacht. Für ein besseres Gesamtbild über die Armut in der Schweiz ist nun die aktive Mitarbeit der Kantone entscheidend.
Auf globaler Ebene kommen die Klimakrise, humanitäre Katastrophen und Konflikte als weitere Ursachen für Armut hinzu. Gegen die Folgen des Klimawandels können sich Menschen in Armut kaum schützen. Auch die Folgen der Coronapandemie treffen die ärmsten Menschen in Ländern ohne funktionierende Sozialsysteme am härtesten. Menschen mit Behinderungen sind besonders gefährdet: Armut begünstigt Behinderungen und eine Behinderung erzeugt oft Armut.
Die Entwicklungsgelder der Schweiz verbleiben auf tiefem Niveau. Zwar basiert die Strategie für die internationale Zusammenarbeit auf der Agenda 2030. Doch fehlt es an einem multidimensionalen Verständnis, das Mehrfachdiskriminierungen, zum Beispiel von Frauen mit Behinderungen, angeht, auf Inklusion baut und im Sinne des Leitprinzips der Agenda 2030 niemanden zurücklässt.
- Bund und Kantone gewährleisten ein soziales Existenzminimum für alle, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Behinderung etc.
- Der Bund erarbeitet eine nationale Armutsstrategie. Diese setzt das Ziel, die Armut bis 2030 um mindestens 50% zu reduzieren, formuliert konkrete Massnahmen zur Ursachenbekämpfung und klärt die Rolle von Bund, Kantonen und Gemeinden.
- Der Bund bezieht betroffene Menschen wirkungsvoll in die Erarbeitung von Strategien und Massnahmen ein.
- Die Kantone tragen zum Aufbau einer verlässlichen Datengrundlage zu Armut in der Schweiz bei. Sie erstatten regelmässig Bericht über die Armutssituation, identifizieren Handlungsbedarf und ergreifen Massnahmen.
- Die Schweiz setzt die UNO-Behindertenrechtskonvention auf nationaler Ebene und in ihrer internationalen Zusammenarbeit um und fördert die Inklusion von Menschen mit Behinderungen.
- In der internationalen Armutsbekämpfung setzt sich die Schweiz das Ziel, die am meisten benachteiligen Menschen zuerst zu erreichen. Sie stellt sicher, dass politische Entscheide bestehende Armutsverhältnisse weder verstärken noch neue schaffen.
- Die Schweiz erhöht ihre Entwicklungsgelder mindestens auf die vereinbarten 0.7% des Bruttonationaleinkommens.
Autor:innen
In Zusammenarbeit mit Aline Masé, Caritas Schweiz, Mirjam Gasser, CBM Schweiz/Swiss Disability and Development Consortium, Kristina Lanz und Laura Ebneter, Alliance Sud
Bericht als PDF
Weiterführende Literatur
- Caritas 2022: Armut in der Schweiz
- Caritas 2021: Sozialalmanach 2021 « Armut grenzt aus »
- Kristina Lanz: Armut ist politisch gewollt. global #79 Herbst 2020. Alliance Sud.
- UNDP and OPHI (2020). Global Multidimensional Poverty index 2020 – Charting Pathways out of Multidimensional Poverty: Achieving the SDGs. United Nations Development Programme and Oxford Poverty and Human Development Initiative.