Inhaltliche Korrekturen ohne zusätzliche Mittel für die internationale Zusammenarbeit
Der Bundesrat präsentiert seine Strategie zur internationalen Zusammenarbeit 2021-2024. Er nimmt darin wichtige inhaltliche Änderungen vor und stellt die Agenda 2030 als Referenzrahmen ins Zentrum. Die zahlreichen Forderungen nach einer Erhöhung der Mittel ignoriert er jedoch geflissentlich.
Erstmals liess der Bundesrat die Strategie zur internationalen Zusammenarbeit (IZA) in einer öffentlichen Vernehmlassung von der Bevölkerung kommentieren. Insgesamt beteiligten sich rund 250 Akteure. Während der Bundesrat wichtige inhaltliche Vorschläge aufnahm, blieb er bei den gesprochenen Finanzmitteln hart. Dies ist umso befremdlicher, als die Rechnung des Bundes erneut mit einem hohen Überschuss von 3.1 Milliarden Franken abschliesst. Die Schweiz will in den kommenden vier Jahren 11.25 Milliarden Franken in die IZA investieren. In der Vorperiode betrug der Kredit 11.11 Milliarden. Es handelt sich also um eine Erhöhung um 140 Millionen Franken. Angesichts der Finanzlage, hätte der Bundesrat durchaus die Mittel deutlich stärker aufstocken können.
Im Vergleich: Ausgabenfreude bei der Armee
In der gleichen Sitzung genehmigte der Bundesrat auch die Kreditrahmen der Armee, die sich auf die gleiche Vierjahresperiode beziehen. Vor vier Jahren budgetierte der Bundesrat noch vorsichtig und beantragte 18.8 Milliarden für 2017-2020. Das Parlament erhöhte diesen Betrag ausgabefreudig auf 20 Milliarden. Für die kommenden vier Jahre schlägt der Bundesrat nun einen neuen Kreditrahmen von 21.1 Milliarden Franken vor. Dieser wurde also um 1.1 Milliarden erhöht. Das entspreche dem durchschnittlichen Wachstum der Bundesausgaben, erklärt der Bundesrat.
Der Kreditrahmen für die Armee übersteigt um ein vielfaches denjenigen für die Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit, der 258 Millionen Franken beträgt (Bild VBS, CC BY-NC-ND 3.0 CH)
Die Schweiz hat auf internationaler Bühne wiederholt zugesagt, die Mittel für die IZA zu erhöhen. Wieso der Bundesrat trotzdem diese Mittel nur geringfügig und deutlich unterdurchschnittlich erhöhen will, hat er nicht erklärt.
Klimaschutz und Recht auf Entwicklung nicht gegeneinander ausspielen
Diese Knausrigkeit irritiert umso mehr, als der Bundesrat die Mittel für die internationale Klimafinanzierung schrittweise von 300 auf 400 Millionen Franken pro Jahr erhöhen will. Dies ist durchaus notwendig, da die Schweiz bei der Klimafinanzierung noch weit entfernt ist, ihren fairen Beitrag zu leisten.
Da die Mittel insgesamt nicht erhöht werden, spielt der Bundesrat damit allerdings die Anliegen der ärmsten Menschen bezüglich Schutz vor Klimakatastrophen, Recht auf Bildung und Gesundheit gegeneinander aus. Das ist einer solidarischen Schweiz unwürdig.
Klarheit über die Ziele der Schweizer IZA
Die Plattform Agenda 2030 begrüsst eine Reihe von inhaltlichen Änderungen, welche ihren Forderungen im Rahmen der Vernehmlassung entsprechen. Diese inhaltlichen Anpassungen bzw. Präzisierungen geben der Armutsreduktion und der nachhaltigen Entwicklung ein grösseres Gewicht und bestätigen, dass sie die Daseinsberechtigung der IZA bleiben. Auch wird nun explizit festgehalten, dass menschenwürdige Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Ausserdem findet sich das Thema Geschlechtergerechtigkeit verstärkt und als transversales Prinzip in der überarbeiteten Strategie.
Ferner wird geklärt, dass die IZA den Privatsektor in den Entwicklungsländern stärken und nicht etwa Schweizer Unternehmen unterstützen soll. Zudem wird das Kriterium der Schweizer Interessen präzisiert. Es bezieht sich auf langfristige Interessen.
Verpasste Chancen
Andere inhaltliche Forderungen blieben leider unbeachtet: So wird sich die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit aus Lateinamerika zurückziehen. Angesichts des immer offensichtlicher werdenden Versagens der von den lokalen Eliten beherrschten Staaten sind die Menschen in dieser Region jedoch dringender denn je auf ausländische Präsenz und Unterstützung angewiesen. Die Programme der Schweizer IZA, insbesondere in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte, sind wirksame Antworten auf Probleme, die sich in den nächsten Jahren eher verschlimmern als verbessern werden.
Auch geht der Bundesrat das Thema der Datengrundlage nicht weiter an. Um die ärmsten Menschen und benachteiligten Gruppen zu erreichen und die Programme hinsichtlich eines «leave no one behind» wirksam aufzubauen, braucht es desaggregierte Daten. In der vorliegenden Strategie verpasst es der Bundesrat, dieses Thema explizit und offensiv anzugehen.
Eine weitere Forderung der Plattform verhallt ungehört: In der Vernehmlassung hatten wir uns dafür eingesetzt, dass die Schweiz über die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit nur Projekte fördert, welche einen klaren Beitrag zu Armutsreduktion und ökologischer Nachhaltigkeit leisten. Insbesondere die multilateralen Entwicklungsbanken stützen nämlich weiterhin Entwicklungsmodelle, die auf der Förderung von fossilen Energien aufbauen.
Weitere Informationen:
Eva Schmassmann
Plattform Agenda 2030