Frauenrechte sind Menschenrechte
Die NGO-Koordination post Beijing Schweiz hat am 3. Januar eine Stellungnahme zum Zwischenbericht der Schweiz an den CEDAW-Ausschuss eingereicht. Mit der Ratifizierung der UNO-Frauenkonvention, dem Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) im Jahr 1997 ist die Schweiz seit 1998 an deren Bestimmungen gebunden. Seitdem spielt die NGO post Beijing Schweiz eine aktive Rolle bei der Überwachung und Berichterstattung über die Umsetzung der CEDAW in der Schweiz.
Stellungnahme der NGO Koordination post Beijing Schweiz zum Zwischenbericht der Schweiz betreffend Stand der Umsetzung der Empfehlungen des CEDAW-Ausschusses aus dem 6. Periodischen Report der Schweiz zu CEDAW
1. Allgemeine Bemerkungen
Die NGO Koordination post Beijing Schweiz (NGO pB Schweiz) kann sich zusammen mit ihren Mitgliedsorganisationen den Positionen der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (EKF) in deren Stellungnahme zum Zwischenbericht von Dezember 2024 zu den drei Empfehlungen des CEDAW-Ausschusses im Grundsatz anschliessen.
Seit 1996 setzt sich die NGO pB Schweiz mit ihrem Netzwerk aus über 30 Mitgliedsorganisationen aktiv für die Gleichstellung von Frauen in der Schweiz ein – sowohl auf gesellschaftlicher, politischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Ebene. Mit der Ratifizierung der CEDAW im Jahr 1997 ist die Schweiz seit 1998 an deren Bestimmungen gebunden. Seitdem spielt die NGO pB Schweiz eine aktive Rolle bei der Überwachung und Berichterstattung über die Umsetzung der CEDAW in der Schweiz.
Es ist nicht korrekt, wenn im Zwischenbericht von November 2024 von der Schweiz ausgeführt wird, es handle sich bei CEDAW um einen «sehr allgemein umschriebenen Gleichstellungsauftrag» mit «primär programmatischem Charakter.» Insbesondere in den Artikeln 2 bis 5 der CEDAW werden die allgemeinen Verpflichtungen der Vertragsstaaten und somit auch der Schweiz näher ausgeführt. Dabei wird eine aktive Politik zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen und zwar auf allen bundesstaatlichen Ebenen und zur vollen Verwirklichung der Rechte in allen Lebensbereichen gefordert (Art. 2). Konkret geht es insbesondere um die Pflicht zur Achtung und zum Schutz der Frau vor Diskriminierung sowohl im privaten wie auch im öffentlichen Bereich durch entsprechende Gesetze und Regulierungen, Verwaltungsabläufe, politische Programme und institutionelle Strukturen. Insbesondere werden die Vertragsstaaten auch zur Gewährleistung gleicher Rechte verpflichtet, und zwar sowohl «de iure» wie auch «de facto» mit der Pflicht zur Förderung (Art.3), zu temporären Sondermassnahmen (Art. 4) und zur Bekämpfung von Stereotypen (Art. 5).
Generell sollte sich die Schweiz auch um eine kontinuierliche Sensibilisierung der Öffentlichkeit bemühen, und dabei die sich im Rahmen der regelmässigen CEDAW-Berichterstattung der Schweiz bietenden Gelegenheiten vermehrt nutzen. Auch sollten geschlechtsspezifische Daten noch konsequenter erhoben und eingefordert, und Plattformen für die Förderung und Vernetzung von Forschung und Analyse zu Diskriminierungsthemen vermehrt geschaffen werden.
2. Empfehlung Nr. 16 a) Stärkung der Kenntnisse der Justizbehörden betreffend direkter Anwendbarkeit und Nutzung der Konvention in Rechtsverfahren
Auch nach 26 Jahren seit dem Inkrafttreten der CEDAW in der Schweiz fehlt eine systematische Schulung betreffend CEDAW.
Frauenrechte sind Menschenrechte, weshalb bereits im Rahmen des Rechtsstudiums an den Universitäten und Hochschulen die CEDAW zusammen mit anderen menschen- und völkerrechtlichen Übereinkommen in den Studienplan integriert werden sollte, und zwar nicht nur als ein Spezialfach das lediglich bei besonderem Interesse besucht wird, sondern als obligatorisches Studienfach.
Ebenfalls sollte das Thema im Rahmen der juristischen Weiterbildung bei Justizbehörden und Staatsanwaltschaften und dabei insbesondere in der zwischenzeitlich geschaffenen Richter*innen-ausbildung aufgegriffen und vermittelt werden. Da viele Richterpersonen ihre juristische Ausbildung vor Jahren abgeschlossen haben, sollte diesen das Thema CEDAW im Rahmen von Weiterbildungsanlässen beispielsweise vom Schweizerischen Verband für Richterinnen und Richter (SVR) oder dem Zentralschweizerischen Verband für Richterinnen und Richter, nähergebracht werden. Auch sollte der Schweizerische Anwaltsverband SAV entsprechende Aus- und Weiterbildungen anbieten. Viele regionale und kantonale Gerichte kennen auch eigene Aus- und Weiterbildungen, und da dort eine Teilnahme der an den Gerichten beschäftigten Personen in der Regel erwartet wird, wäre die Präsenz der Betroffenen auch höher.
3. Empfehlung Nr. 32a) Beseitigung der kantonalen Unterschiede bei der Finanzierung von Gleichstellungsfachstellen
Wie von der EKF dargelegt, sind kantonale Gleichstellungskommissionen sehr wichtig, weshalb klar gefordert werden muss, dass die Kantone sich dieser Notwendigkeit bewusst werden und entsprechend auch jeder Kanton über ein Gleichstellungsbüro verfügt. Diese müssen aber auch mit den dafür notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet werden, und es sind entsprechende fachliche und finanzielle Ressourcen sicherzustellen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern verfügt die Schweiz bereits über verschiedene finanzpolitische Instrumente in der Mehrheit der Kantone und teilweise auch auf Bundesebene, die die Zuweisung von Finanzmitteln für einzelne Aufgaben auf der Grundlage ihrer Auswirkungen – und somit grundsätzlich auch auf der Grundlage ihrer Auswirkungen auf die Gleichstellung – bewerten können. Eine Ablehnung der Einführung von Gender Budgeting kann daher unter keinen Umständen mit finanzrechtlichen Hürden gerechtfertigt werden.
4. Empfehlung Nr. 42 Verstärkung der Bekämpfung jeder Form von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen
d) Reform der rechtlichen Definition von Vergewaltigung und Abschaffung des richterlichen Ermessens bei Sexualdelikten
Die NGO-Koordination pB Schweiz unterstützt die EKF bei der Befürwortung der Empfehlung Nr. 42(d) des CEDAW-Ausschusses zur Reform der rechtlichen Definition von Vergewaltigung in der Schweiz. Wir begrüssen, dass das Schweizer Parlament die Definition mit internationalen Standards in Einklang gebracht hat, indem der Schwerpunkt auf Zustimmung gelegt und die Anforderung an Opfer, Widerstand nachzuweisen, abgeschafft wurde.
Wir begrüssen ausserdem die Bestimmungen, die „Stealthing“ und „Revenge Porn“ unter Strafe stellen, sowie die Anerkennung der Zustimmung von Minderjährigen im digitalen Kontext. Diese Schritte spiegeln gesellschaftliche Veränderungen wider und gehen auf neue Herausforderungen im digitalen Zeitalter ein.
Obwohl die Reform bedeutende Fortschritte darstellt, fordert die EKF zu Recht umfassende Massnahmen, um ihre Wirksamkeit sicherzustellen. Dazu gehören Schulungen für Polizei und Staatsanwälte, die Priorisierung von Zustimmung in der Sexualaufklärung sowie die Durchführung von öffentlichen Sensibilisierungskampagnen. Wir fordern ausserdem die Erhebung detaillierter Statistiken zu sexueller Gewalt und einen kulturellen Wandel hin zu null Toleranz gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt.
f) Schutz der Aufenthaltsrechte von Opfern häuslicher und sexueller Gewalt
Wir und dabei insbesondere die Mitgliedsorganisation FIZ (Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration) begrüssen, dass das Parlament die vulnerable Situation von gewaltbetroffenen Migrant*innen in ausländerrechtlichen Abhängigkeiten anerkannt, entsprechend die Härtefall-Regelung bei häuslicher Gewalt revidiert und den Vorbehalt in der Istanbul-Konvention zurückzieht.
Wir bedauern, dass die komplexe Situation der gewaltbetroffenen Migrant*innen und die häufige Isolation als Teil der Gewalt in der Gesetzesänderung nicht vollständig abgebildet wird und das Parlament auf eine explizite Regelung für mehr Zeit, bevor die Integrationskriterien (z.B. Sprache) geprüft werden, verzichtet hat. Ebenfalls bedauerlich ist, dass Sans-Papiers nicht unter diese Bestimmung fallen und ihre Prekarität und Vulnerabilität bei häuslicher Gewalt damit weiterhin sehr gross ist. Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, es besteht aber weiterhin Handlungsbedarf. Auch besteht nach der Einführung der Gesetzesänderung und der angepassten Verordnung noch Handlungsbedarf, und die konkreten Auswirkungen der Gesetzesänderung müssen sich nach der Einführung am 01.01.2025 in der Praxis noch zeigen.
Schlussbemerkungen
Die NGO-Koordination post Beijing Schweiz anerkennt und schätzt die Möglichkeit, zum Dialog über die Umsetzung der Empfehlungen des CEDAW-Ausschusses beizutragen. Trotz bisher erreichter Fortschritte gilt es aber zu betonen, dass noch viel wichtige Arbeit zu tun bleibt, um die Rechte und die Gleichstellung von Frauen und Mädchen in der Schweiz vollständig zu verwirklichen. Wir fordern mehr Aufmerksamkeit für marginalisierte Gruppen wie Migrant*innen, Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt und systematisch diskriminierte Personen. Ein intersektionaler Ansatz ist entscheidend, um Überschneidungen von Diskriminierungen zu adressieren. Wir werden uns weiterhin für weitere Reformen und strengere gesetzliche Rahmenbedingungen engagieren und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit den Behörden und der Zivilgesellschaft, um diese wichtigen Bemühungen für und das gemeinsame Ziel einer auf allen Ebenen gerechten und effektiv gleichberechtigten Gesellschaft in der Schweiz weiter voranzutreiben und möglichst bald zu erreichen.