Der Komplexität gemeinsam begegnen

14. Jan 2021 | Gastbeitrag

Vor fünf Jahren wurde in New York und weltweit die Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung gefeiert. Die Welt gab sich damit eine Vision für die Zukunft: Eine Welt in Frieden, ohne Armut und Hunger. Eine Welt, in der wir die Biodiversität schützen und erhalten, und den Klimawandel im Griff haben. Im Vergleich zu ihrer Vorgängerin, der Milleniumsagenda, bricht sie in verschiedener Hinsicht mit bestehenden Paradigmen: Es ist eine Agenda, die nicht nur den globalen Süden “entwickeln” will, sondern auch uns im globalen Norden in die Pflicht nimmt. In ihrer Erarbeitung konnten sich Millionen Menschen rund um den Globus einbringen. Und sie verknüpft die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Menschen mit den planetaren Grenzen. Entwicklung muss möglich sein, aber in einem Rahmen, der die Umwelt respektiert.

Kurz: die Agenda 2030 definiert den Begriff der Entwicklung neu. Bislang kann kein Land die gesellschaftlichen Bedürfnisse nach Nahrung, Wasser, Unterkunft und politischer Mitbestimmung garantieren, ohne langfristig den Planeten zu zerstören. Länder im globalen Süden übernutzen zwar die Ressourcen nicht, decken aber die Bedürfnisse nach Nahrung, Bildung oder Gesundheit nicht ausreichend. Handlungsbedarf besteht überall.

Auch die Schweiz hat sich der Agenda 2030 verpflichtet. Neben den innenpolitischen Hausaufgaben muss die Schweiz auch ihre globale Verantwortung wahrnehmen und dazu beitragen, dass andere Länder ihre nachhaltige Entwicklung voranbringen können. Handels- und Investitionsabkommen dürfen z.B. den politischen Handlungsspielraum von Partnerländern in der Gesundheitspolitik nicht länger einschränken. Wir dürfen nicht länger als Steueroase dazu beizutragen, dass Gewinne nicht am Ort der Produktion besteuert werden, sondern in die Schweiz transferiert werden.

Die Agenda 2030 mit ihren 17 Nachhaltigkeitszielen wird oft als zu komplex kritisiert. Niemand könne 17 Ziele gleichzeitig verfolgen. Doch haben alle 17 SDGs ihre Berechtigung, die Agenda 2030 spiegelt die Komplexität unserer globalen Realität wider. Wenn wir nachhaltige Entwicklung tatsächlich ernst nehmen, dürfen wir die Herausforderungen nicht ins Unkenntliche vereinfachen. In der Coronakrise zeigt sich, dass wir vernetzt an Probleme herangehen müssen. Denn Massnahmen zum Schutz der Gesundheit haben Auswirkungen auf Geschlechtergerechtigkeit, können den digitalen Graben vertiefen und dadurch die Bildungschancen der Schwächeren verringern.

Anstatt zu vereinfachen sollten wir uns vielmehr der Komplexität stellen. Es ist klar: Niemand von uns hat die notwendige Expertise, um die Herausforderung alleine zu bewältigen. Wir brauchen das Wissen von vielen. Lernen wir also, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Das Wissen von anderen zu schätzen. In Netzwerken zu arbeiten. Partnerschaftlich über Grenzen hinweg. Und vor allem: vergessen wir nicht, dass wir hier in der Schweiz den Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung noch nicht gefunden haben. Hören wir also zu, welche Analysen und Erfahrungen Menschen in anderen Kontexten gemacht haben. Partnerschaftlich, offen, in einer Begegnung auf Augenhöhe.

Schassmann Eva
Eva Schmassmann

Plattform Agenda 2030

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Dieser Beitrag erschien in Praxis N° 10, 12/2020, der Zeitschrift von Unité.

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