Anpassung oder Abwanderung in andere Landesteile

20. Jul 2023 | Gastbeitrag

Welche Optionen bleiben Menschen in Regionen, die besonders von der Klimakrise getroffen sind?

In einigen Regionen der Erde werden die Lebensbedingungen aufgrund der Erderwärmung immer härter. Zum Beispiel in den Deltas in Afrika und Südasien, in semi-ariden Regionen in Afrika und in Teilen Süd- und Zentralasiens sowie entlang von Flüssen, die von Gletschern und Schneedecken abhängig sind. Manchen Menschen gelingt die Anpassung an die negativen Klimafolgen. Andere ziehen weg und suchen Verdienstmöglichkeiten in anderen Regionen ihres Landes.

Migration ist ein wichtiges Thema in der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit. Geht es nach dem Bundesrat, wird dies auch künftig so bleiben. So soll der Internationalen Zusammenarbeit (IZA) weiterhin eine wichtige Rolle zukommen, die Not von Menschen auf der Flucht zu lindern und bessere Bedingungen für jene zu erreichen, die ihre Heimat verlassen. Im neuen Strategie-Entwurf für die Jahre 2025-2028 schreibt die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), die Internationale Zusammenarbeit verbessere den Schutz und die Lebensbedingungen von Geflüchteten in den Erstaufnahmeländern. Mittelfristig sei das Ziel, Lösungen für die Integration von Migrierenden und Zwangsvertriebenen in den Partnerländern der DEZA zu finden und deren Lebenschancen zu verbessern. Langfristig soll die Entwicklungszusammenarbeit die Ursachen von erzwungener Migration bekämpfen. Dazu zählen Armut, fehlende wirtschaftliche Perspektiven, eine unzureichende Grundversorgung, bewaffnete Konflikte und Menschenrechtsverletzungen sowie, immer häufiger, die Folgen des Klimawandels.

Im Vergleich zur vorindustriellen Zeit hat sich die Welt um über 1,1 Grad erwärmt. Was moderat klingt, bedeutet eine massive Zunahme extremer Wetterereignisse, grundlegende Veränderungen der Niederschlagsmuster, weniger verfügbares Wasser und der Anstieg des Meeresspiegels. In einigen Gebieten der Welt, die man als «Hotspots» der Klimakrise bezeichnen könnte, sind die Lebensbedingungen bereits deutlich härter geworden – und drohen in den nächsten Jahrzehnten unerträglich zu werden. Zu diesen Hotspots gehören die riesigen Deltas in Afrika und Südasien, Regionen in Afrika und in Teilen Süd- und Zentralasiens, die während der meisten Zeit des Jahres trocken sind (semi-arid), sowie von Gletschern und Schneedecken abhängige Flusseinzugsgebiete, insbesondere im Himalaya. Bis im Jahr 2050 könnten aufgrund der Klimaveränderung und den daraus resultierenden Wetterextremen und Naturkatastrophen über eine Milliarde Menschen vertrieben werden, warnt die Zurich Versicherung.

Bewältigungsstrategien in den Hotspots der Klimaveränderung

Die Südwestküste von Bangladesch ist einer dieser Hotspots. Bangladesch gehört zu den am dichtesten besiedelten Ländern der Welt und liegt mit einer Gesamtbevölkerung von knapp 170 Millionen Menschen an achter Stelle der Welt. Das südasiatische Land gehört gemäss Global Climate Risk Index zu den am stärksten von der Klimakrise betroffenen Ländern. Die Gemeinden im tief gelegenen Flussdelta waren schon immer mit extremen Wetterereignissen wie Zyklonen und Überschwemmungen konfrontiert. Doch nun bedroht die Klimaveränderung das bereits empfindliche und anfällige Küstenökosystem noch stärker.

Von der Weltbank gut dokumentiert und hinlänglich bekannt ist, dass die Gegend im Delta um die Städte Khulna und Bagerhat nicht nur von einer Zunahme der Häufigkeit und Intensität plötzlich auftretender Katastrophen wie Wirbelstürmen und Sturmfluten betroffen sind, sondern ebenso von langsam eintretenden Belastungen wie der Versalzung und der Erosion riesiger landwirtschaftlicher Nutzflächen. Im Wissen darum hat die Regierung in Bangladesch schon vor Jahren weitsichtig gehandelt und einen «nationalen Mechanismus» für Hilfe für betroffene Menschen eingerichtet. In Zukunft wird sich auch die internationale Staatengemeinschaft an Loss & Damage, sprich an der Behebung von Schäden an Landwirtschaft und Infrastruktur sowie an Verlusten von Existenzen und Lebensperspektiven beteiligen müssen.

Menschen passen sich an oder verlassen ihre Heimat

Neue wissenschaftliche Studien bestätigen die langjährige Erfahrung von Helvetas, dass der Klimawandel die landwirtschaftlichen Erträge in den letzten 15 Jahren verringert hat und die wirtschaftlichen Möglichkeiten für die Menschen im Delta einschränkt. Die Auswirkungen der Klimakrise zerstören die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen. Für viele Menschen bleibt nur noch die Option, ihr Zuhause zu verlassen. Die Weltbank geht davon aus, dass Südasien bis zum Jahr 2050 bis zu 36 Millionen Binnenmigrierende allein als Folge der langsam eintretenden Klimaveränderungen haben könnte – ein Drittel davon in Bangladesch.

Wie die Weltbank ausführt, könnte mit langfristig angelegten Entwicklungsprogrammen, die darauf abzielen, dass sich die Menschen besser an die klimatischen Veränderungen anpassen um ihren Lebensunterhalt zu sichern, das Ausmass der Vertreibung in Bangladesch auf die Hälfte reduziert werden. Mehrjährige Forschung von Helvetas in Bangladesch macht deutlich, dass Menschen ihr traditionelles Wissen nutzen und es mit modernen Erkenntnissen und mit externem Knowhow erweitern, um mit den klimatischen Veränderungen fertig zu werden – zum Beispiel durch die Anpassung von landwirtschaftlichen Praktiken wie der Anbau von salztolerantem Reis und resistenteren Grassorten als Futter für Vieh oder beim nachhaltigen Fischfang und der ökologischen Aufzucht von Meerestieren.

Entscheiden sich die Menschen mangels realistischer Alternativen zu migrieren, geraten sie allzu oft vom Regen in die Traufe. Denn die Migration birgt grosse Risiken: zum Beispiel Menschenhandel und geschlechterspezifische Gewalt unterwegs sowie unwürdige Arbeitsbedingungen, Ausbeutung und Zwangsarbeit in Zielregionen wie Ballungsgebiete und Grossstädte. In vielen Fällen machen sich zunächst die Männer auf den Weg. Zurück bleiben Frauen und Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung sowie ganz arme Menschen, die nicht über die finanziellen Ressourcen verfügen, um ihre Heimat zu verlassen. Deren Lebensunterhalt und Widerstandsfähigkeit hängt oftmals in hohem Masse von den Geldüberweisungen der Menschen ab, die ihr Glück an einem neuen Ort suchen.

Lösungsansätze für die Herausforderungen der Migration

Die Menschen sollten darin unterstützt werden, alternative wirtschaftliche Perspektiven zu finden, um trotz der klimabedingten Veränderungen in ihrer Heimat bleiben zu können. Gibt es keine Möglichkeit mehr zu bleiben, sollten sie «sicher» – also unter Wahrung ihrer Menschenrechte – migrieren und am neuen Ort eine gute Arbeit und Perspektiven für ihre Familien vorfinden.

Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit unterstützt Projekte, die die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) der vom Klimawandel betroffenen Gemeinschaften stärken, wobei Frauen und Jugendliche besonders berücksichtigt werden. Menschen werden dabei unterstützt, ihre Methoden für den Anbau von Nahrungsmitteln und die Bewirtschaftung von natürlichen Ressourcen und Wasser an die veränderten Klimabedingungen anzupassen. Gleichzeitig wird Familien zum Beispiel in Dialogforen, Workshops und Informationsveranstaltungen geholfen, fundierte Entscheidungen darüber zu treffen, ob man aufbricht oder am Ort bleibt. Menschen und Familien, die in städtische Gebiete ziehen, werden darin unterstützt, nach ihrer Ankunft am neuen Ort eine angemessene Beschäftigung zu finden. Ebenfalls unterstützt wird eine sinnvolle und nachhaltige Nutzung der Rücküberweisungen an ihre Verwandten und Bekannten.

 

Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf Politsichten, dem entwicklungspolitischen Blog von Helvetas veröffentlicht.

Portrait von Patrik Berlinger
Patrik Berlinger

Politische Kommunikation, Helvetas

sowie Jana Junghardt und Regis Blanc, Helvetas

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