Die Verantwortung der Schweiz für die Weltmeere
Ozeane produzieren mehr als die Hälfte des weltweiten Sauerstoffs und binden gleichzeitig erhebliche Mengen an Kohlenstoffdioxid. Sie dienen als Einkommensquellen für Küstengemeinden. Doch sind die Meeresökosysteme durch eine Vielzahl menschlicher Aktivitäten bedroht.
Überfischung dezimiert die Fischbestände im Meer, bedroht die Artenvielfalt und das wirtschaftliche Überleben von kleinen Fischereien und Familienbetrieben. 2017 galten 34% der weltweiten Meeresfischbestände als überfischt. Beifang von Jungfischen oder nicht gezielt gefischten Arten (einschliesslich gefährdeter Arten) wird immer noch über Bord geworfen, die Verwendung von Meeresfischen als Futtermittel für Aquakulturen akzentuiert die Überfischung weiter. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass etwa 1/5 des weltweiten Fischfangs aus illegaler, unangemeldeter oder unregulierter Fischerei stammt.
Nicht nachhaltige Aquakultur von Garnelen ist mitverantwortlich für den Verlust von Mangrovenwäldern. Die offene Meereszucht von Lachs trägt ebenso zur Verschmutzung der Ozeane bei wie unser Landwirtschaftssystem: Intensive Nutztierhaltung und der Einsatz von Dünger führen zu einer massiven Belastung mit Stickstoff und Phosphor. In Basel werden jährlich mehr als 40.000 Tonnen Stickstoff über den Rhein in die Nordsee exportiert.
Die Zunahme von CO2 in der Atmosphäre führt zu zunehmender Versauerung der Meere. Dies wirkt sich vor allem auf Korallen und Muscheln aus, da ihre Fähigkeit Schalen, Skelette oder andere Strukturen zu verkalken, verringert wird.
Auf internationaler Ebene soll zum ersten Mal in der Geschichte ein UN-Hochseeschutzabkommen den globalen Rahmen zum Schutz der Meere jenseits nationaler Zuständigkeiten herbeiführen. Während die Verhandlungen über das Abkommen noch laufen, drängen grosse Rohstoffkonzerne, die Tiefsee für den Abbau von Metallen wie Mangan oder Kobalt freizugeben. Das bedroht ein kaum erforschtes Ökosystem. Bei den Verhandlungen über die genetischen Ressourcen der Meere und den gerechten Vorteilsausgleich läuft die Schweiz Gefahr, einseitig die Interessen der grossen Pharma- und Rohstoffkonzerne zu schützen.
Die Schweiz hat verschiedene Hebel, um die Ozeane besser zu schützen: Wir importieren 97% unseres Konsums an Fisch und Meeresfrüchten aus dem Ausland. Wir sind eines der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Plastik. Und wir sind immer noch Heimathafen von rund 20 Handelsschiffen.
Die Schweiz muss auch in internationalen Handelsvereinbarungen eine Rolle spielen; sei es in der WTO, um auf ein Ende der schädlichen Subventionen für die illegale, unangemeldete und unregulierte Fischerei zu drängen, oder in bilateralen Handelsabkommen.
Forderungen
- Die Schweiz verbietet den Marktzugang für Fische und Meeresfrüchte aus illegaler, unangemeldeter und unregulierter Fischerei und setzt die Verordnung über die Kontrolle der rechtmässigen Herkunft von eingeführten Erzeugnissen der Meeresfischerei konsequent um. Die Verordnung wird auf Binnen- und Süsswasserfische sowie auf für Aquakulturen bestimmte Fische und Meeresfrüchte ausgedehnt.
- Bestehende Vorschriften werden durch die Digitalisierung der Fangbescheinigungen gestärkt, modernisiert, und an das neue europäische System angeglichen.
- Im Rahmen des Folgeprojekts der Agrarpolitik nach 2022 definiert der Bund die Eckwerte für eine ökologische Landwirtschaft. Er reduziert die Zahl der Nutztiere und definiert einen Reduktionspfad für Phosphor und Stickstoff.
- Die Schweiz setzt sich für ein ehrgeiziges und starkes Hochseeschutzabkommen ein, das die Errichtung einer Konferenz von Vertragsparteien vorsieht. Diese ist zuständig für die Realisierung von Meeresschutzgebieten.
- Die Schweiz unterstützt ein Moratorium für den Tiefseebergbau.
- In Küstengebieten verfolgen Projekte der Entwicklungszusammenarbeit neben ihrem Grundauftrag der Armutsbekämpfung auch Ziele zum Schutz der Meeresökosysteme.
- Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass bis 2024 ein weltweites, rechtsverbindliches Abkommen zur Plastikverschmutzung zustande kommt.
- Der Bund erarbeitet ein starkes Gesetz für mehr Unternehmensverantwortung, auch im Hinblick auf den Schutz der Meeresökosysteme.
- Die Schweiz setzt sich bei den WTO-Verhandlungen für ein Ende der schädlichen Subventionen für die illegale, unangemeldete und unregulierte Fischerei ein. Ihre Freihandelsabkommen enthalten verbindliche Nachhaltigkeitskapitel mit Kriterien für nachhaltige Fischerei und Aquakultur.
Autor:innen
Eva Schmassmann
In Zusammenarbeit mit Iris Menn, Greenpeace, Michael Casanova, Pro Natura, Isabel Jimenez, WWF