Klare Forderungen der Zivilgesellschaft in Genf

10. Apr. 2025 | Aktualität, Stellungnahme

Anfang April fand in Genf das Regional Forum on Sustainable Development (RFSD) der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) statt. Dieses jährliche Treffen ist für Regierungen, UNO-Institutionen und eine breite Palette von Akteuren zu einem zentralen Moment geworden, um den Fortschritt (oder Rückschritt) bei der Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) in einer Region, die von Nordamerika bis Zentralasien reicht, zu überprüfen. In diesem Jahr war trotz engagierter Reden und interaktiver Diskussionsrunden klar: Die SDGs kommen nur schleppend voran. Und die Zivilgesellschaft hat ihre Forderungen lautstark erhoben.

Fazit : nicht auf Kurs

Der Bericht 2025 der UNECE-Region hält unmissverständlich fest: nur 17 % der Unterziele der SDGs werden bis 2030 erreicht. Bei 67% sind die Fortschritte nicht ausreichend. Und 16% zeigen einen negativen Trend. Im Klartext: Zehn Jahre nach der Verabschiedung der Agenda 2030 sind wir noch weit vom Ziel entfernt.

Trotz der Spannungen und zahlreichen globalen Krisen bekräftigte die Generalsekretärin der UNECE, Tatiana Molcean, das Engagement der Region für die Agenda 2030 und betonte die Rolle, die die Agenda bei der Suche nach Lösungen für die Herausforderungen, die sich insbesondere für den Multilateralismus stellen, spielen kann.

Rund 700 Personen waren präsent und diskutierten über Lösungsansätze und Innovationen, um die Umsetzung der SDGs 3 (Gesundheit), 5 (Geschlechtergleichstellung), 8 (Menschenwürdige Arbeit), 14 (Leben im Wasser) und 17 (Partnerschaften und Institutionen) zu beschleunigen. In den offiziellen Reden wurden mehrere Elemente als Lösungsansätze genannt: die Stärkung von Partnerschaften, die zentrale Rolle von Lokalregierungen und Städten sowie das wachsende Engagement des Privatsektors. Digitalisierung, Technologie und künstliche Intelligenz bieten darüber hinaus ein grosses Potenzial zur Unterstützung der Nachhaltigkeit, auch wenn die damit verbundenen Risiken nicht unterschätzt werden sollten.

Eine engagierte Zivilgesellschaft gerät zunehmend unter Druck

Ergänzend zu diesen offiziellen Reden war eine andere Stimme zu hören – die der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich dafür einsetzten, dass aus Worten Taten werden. Mitglieder aus der gesamten Region engagierten sich unter der Schirmherrschaft des Regionalen Mechanismus für zivilgesellschaftliches Engagement (ECE-RCEM) und trafen sich am 1. April, um ihre Stellungnahmen zu koordinieren. Die Plattform Agenda 2030 engagierte sich insbesondere in den Diskussionen rund um SDG 17, und trug das Statement im Namen der Zivilgesellschaft vor.

Bereits bei der Eröffnung gab Marsel Ganejew, ein kasachischer LGBTI-Aktivist, den Ton an. In seiner Erklärung prangerte er die zunehmende Marginalisierung von NGOs, politische Repression und die Kostenexplosion bei den Militärausgaben (2,46 Billionen US-Dollar im Jahr 2024) an, die Ressourcen von einem nachhaltigen Übergang wegführen: „Die Agenda 2030 darf keine Übung von Staat zu Staat sein. Sie muss den Menschen, der Natur und den zukünftigen Generationen dienen.“

Zum Ende der Veranstaltung lobte Yara Bon von der Dutch Gender Platform WO=MEN die aktive Beteiligung der Organisationen, die jüngsten juristischen Verbesserungen und die Hoffnung, die der Multilateralismus noch immer darstellt. Sie warnte jedoch auch: Transaktionsdiplomatie, der Rückgang von Rechtsstaatlichkeit und die Vereinnahmung demokratischer Institutionen bedrohen die Fundamente der Agenda 2030. Schliesslich betonte sie, dass die Zivilgesellschaft trotz allem Widerstand leistet: „Wir durchleben eine Polykrise. Aber wir sind da. Wir bauen auf, wir halten unsere Position“.

Die Zivilgesellschaft war auch in den Diskussionsrunden zu den fünf untersuchten SDGs vertreten:

  • SDG  3 (Gesundheit und Wohlbefinden): Ungleichheiten beim Zugang, Personalmangel und systematische Diskriminierung – insbesondere von LGBTI-Personen – sind weit verbreitet. Die Zivilgesellschaft fordert integrative Gesundheitssysteme, eine nachhaltige Finanzierung, die Berücksichtigung der psychischen Gesundheit und einen garantierten Zugang für alle, insbesondere für besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen wie ältere Menschen oder Menschen mit Migrationsgeschichte. Gesundheit ist keine Ware, sondern ein Menschenrecht. (Statement Pannel Discussion / Intervention from the floor)
  • SDG 5 (Geschlechtergleichstellung): Angesichts des Aufstiegs rechtsextremer Bewegungen, der Angriffe auf die sexuellen und reproduktiven Rechte und der zunehmenden geschlechtsspezifischen Gewalt engagieren sich feministische Organisationen an vorderster Front für die Verteidigung der Demokratie. Die Zivilgesellschaft fordert die Regierungen auf, hart erkämpfte Rechte zu verteidigen und ihr Engagement für einen intersektionalen Ansatz zur Gleichstellung der Geschlechter zu verstärken. (Statement Panel Discussion / Intervention from the floor 1 / Intervention from the floor 2).
  • SDG  8 (Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum): In einer zunehmend digitalen und informellen Wirtschaft erodiert der soziale Schutz. Auf globaler Ebene haben 50% der Menschen keinen ausreichenden Sozialversicherungsschutz. Die Zivilgesellschaft fordert die Finanzierung und Umsetzung eines universellen Schutzes der sozialen Sicherheit und von den Regierungen die Einhaltung bestehender internationaler Arbeitsnormen sowie die Regulierung digitaler Plattformen.
  • SDG 14 (Leben im Wasser): Wenn unsere Ozeane sterben, sterben auch wir. Und doch belasten wir die Meere mit den Auswirkungen von Konflikten und der Verschmutzung durch Plastik. Die Zivilgesellschaft fordert alle Mitgliedstaaten auf, das Hochseeabkommen zu ratifizieren und einen globalen Vertrag zur Begrenzung der Plastikproduktion und zur Beendigung der Plastikverschmutzung auszuarbeiten. (Statement Panel Discussion 1 / Statement Panel Discussion 2)
  • SDG 17 (Partnerschaften und Finanzierung): Der Multilateralismus braucht Partnerschaften, um zu funktionieren. Dennoch wird die Zivilgesellschaft immer häufiger aus den Diskussionen ausgeschlossen. Die Mitgliedstaaten müssen sich dazu verpflichten, stärker mit der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten und transparent über ihre Massnahmen für die SDGs zu berichten.

Darüber hinaus bleibt die Frage der Finanzierung der Agenda 2030 von entscheidender Bedeutung, da Budgetkürzungen sehr viele Bereiche betreffen. Und das ist umso alarmierender, wenn man bedenkt, dass die Reichsten der Welt immer reicher werden. Das Geld ist da. Deshalb fordert die Zivilgesellschaft starke Massnahmen zur Umverteilung wie eine Milliardärssteuer, Rahmenbedingungen, die sicherstellen, dass das Engagement des Finanzsektors inklusiv und menschenrechtskonform ist und dass der Transformationsprozess ein gerechter ist, der dazu beiträgt, Ungleichheiten innerhalb und zwischen den Ländern zu beseitigen. (Statement Panel Discussion – von der Plattform Agenda 2030 gehalten)

Die Schweiz bleibt engagiert, aber vage

Die Schweiz bekräftigte ihr starkes Engagement für die Agenda 2030. Der Leiter der Schweizer Delegation, Markus Reubi, Delegierter des Bundesrates für die Agenda 2030, betonte, wie wichtig es sei, trotz der wachsenden geopolitischen und multilateralen Herausforderungen einen auf Zusammenarbeit ausgerichteten Ansatz beizubehalten. Er betonte, dass die Umsetzung der SDGs nur gelingen kann, wenn alle Akteure – Staaten, Regionen, Städte, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Privatsektor – ihre Kräfte bündeln, und wies auf die wechselseitige Abhängigkeit der SDGs untereinander sowie die Bedeutung eines ganzheitlichen Ansatzes hin. Da sich das diesjährige Forum auf fünf SDGs (3, 5, 8, 14 und 17) konzentrierte, umfasste die Schweizer Delegation mehrere Bundesämter – SECO, BAG, EBG, ARE – sowie Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft und des Jugenddelegiertenprogramms. Die Schweiz wird im nächsten Jahr ihren Länderbericht vorlegen.

Engagiert, trotz allem!

Die Ergebnisse der Diskussionen dienen der Vorbereitung des High Level Political Forum, das im Juli stattfinden wird. Die internationale Lage ist jedoch nach wie vor unsicher und auf dem RFSD waren nur wenige eindeutige Zusagen zu hören. Doch der Austausch und die starke Zusammenarbeit zwischen den Vertreter:innen der Zivilgesellschaft geben uns Hoffnung und motivieren uns, weiter engagiert zu handeln!

Portrait Rianne Roshier
Rianne Roshier

Plattform Agenda 2030

Link:

Statement Panel Discussion SDG 17 (Von der Plattform Agenda 2030 vorgelesen)

 

Groupe de personnes pose pour la foto, dans les couloirs de l'ONU à Genève
Vertreter:innen der Zivilgesellschaft am Regional Forum

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