Halbzeit: wo stehen wir?
Diesen September findet in New York der SDG Gipfel statt. Er markiert die Halbzeit in der Umsetzung der Agenda 2030: Vor 8 Jahren wurde sie in New York von der UNO verabschiedet, es bleiben noch 7 Jahre für ihre Umsetzung. Wo stehen wir heute? Eine Spurensuche durch verschiedene Dokumente und Organisationen, die Antworten liefern.
Jährlich im Juli findet in New York das hochrangige politische Forum für nachhaltige Entwicklung statt. Auf englisch: high-level political Forum, oder kurz: HLPF. Das HLPF ist einerseits ein Ort, wo die nationale Umsetzung im Schaufenster steht: Regierungen stellen ihre Länderberichte vor. Sie melden sich freiwillig für diese öffentliche Prüfung. Die Schweiz präsentierte vor einem Jahr ihren Länderbericht. Und die Plattform Agenda 2030 ihren Bericht mit der zivilgesellschaftlichen Perspektive: Weiter wie bisher auf Kosten der Welt?
Andererseits steht die globale Umsetzung im Fokus. Der UNO-Generalsekretär fasst jedes Jahr die Fortschritte – oder Rückschritte – bei der Zielerreichung weltweit zusammen. Sein Bericht basiert auf den Daten, die von der statistischen Behörde der UNO gesammelt werden.
Zudem veröffentlichen spezialisierte UNO-Organisationen zu einzelnen SDGs jeweils umfassende eigene Berichte. Beispielsweise:
– SDG 2: den Bericht zu Hunger weltweit, der von mehreren UNO-Organisationen aus den Bereichen Ernährung, Landwirtschaft, Kinder und Gesundheit (FAO, IFAD, UNICEF, WFP und WHO) verfasst wird.
– SDG 6: Den Bericht zu Wasser und sanitären Anlagen von UN Water, der Wege aufzeigt, um die Umsetzung zu beschleunigen und „on track“ zu bringen.
– SDG 7: der Bericht zu Energie, der von internationaler Energiebehörde, Weltbank und weiteren verfasst wird, um Fortschritte bei SDG 7 zu messen.
– SDG 14: den Bericht über Fisch und Aquakulturen, der den Zustand der Meeresökosysteme misst.
Gastgeber des HLPF ist der ECOSOC, der Wirtschafts- und Sozialrat der UNO.
Alle vier Jahre findet zudem ein SDG Gipfel statt. Dieser wird jeweils im September in die UNO-Generalversammlung integriert. Dies gibt ihm eine zusätzliche Wichtigkeit, da der Gastgeber in diesem Fall das höchste UNO-Gremium ist. Zu den jährlichen Berichten kommt hier noch der Global Sustainable Development Report dazu. Dieser wird nicht von der UNO oder ihren Organisationen erstellt, sondern von einem internationalen und interdisziplinären Kreis an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Diese 15 Akademiker:innen wollen nicht nochmals zusammenfassen, was in anderen Berichten bereits gesagt wird, sondern Zusammenhänge und Synergien erfassen, Barrieren und Hindernisse für die Umsetzung identifizieren, und Handlungsoptionen aufzeigen, wie diese überwunden werden können.
Ausserhalb der UNO und der in der Agenda 2030 angelegten Berichterstattung hat sich der Sustainable Development Report von Nachhaltigkeitsexpert:innen rund um den renommierten Ökonomen Jeffrey Sachs einen Namen gemacht. Er basiert auf einem vereinfachten Indikatorenset, das dafür Vergleiche zwischen den Ländern erlaubt. Und er nimmt zusätzlich speziell die sogenannten Spillover-Effekte in den Fokus: Diese bewerten, wie ein Land die nachhaltige Entwicklung eines anderen Landers fördert oder einschränkt. So werden z.B. die Exporte gefährlicher Pestizide gemessen, Waffenexporte, der durch importierte Konsumgüter verursachte Wasserverbrauch, oder auch die Rolle von Steuerparadiesen. Während die Schweiz bei der Erreichung der SDGs im Inland jeweils zu den Top 10 zählt, gehört sie bei den Spillover-Effekten verlässlich zu den letzten 10, das heisst, sie schränkt die Zielerreichung anderer Länder stark ein.
Wo stehen wir?
Der diesjährige Bericht des UNO-Generalsekretärs Gutteres zeichnet ein düsteres Bild: Lediglich 12% der Indikatoren sind „on track“: hier schreitet die Umsetzung wie geplant voran, und bei gleichbleibendem Trend werden die entsprechenden Ziele erreicht. Bei 50% der Indikatoren geht die Entwicklung zwar in die richtige Richtung, aber zu langsam. Zum Teil viel zu langsam. So werde beispielsweise Gleichheit von Mann und Frau bei gleichbleibendem Trend in 300 Jahren erreicht! Beunruhigend ist jedoch, dass 30% der Indikatoren keine Fortschritte ausweisen, oder sogar Rückschritte registrieren. Ein Blick in die jeweiligen Indikatoren zeigt zudem, dass vor allem Ziele zu Internet oder Mobiltelefonie erreicht werden. Dies ist kaum einem besonderen Effort zur Erreichung der jeweiligen SDGs zuzuschreiben, sondern einem generellen Trend. Andererseits nehmen Armut und Hunger zu, weniger Kinder werden geimpft, Biodiversität wird zunehmend gefährdet, Subventionen für fossile Energien steigen erneut und entsprechend nehmen auch die Treibhausgasemissionen weiter zu.
Beschleunigung, Finanzierung und Umlenkung bestehender Finanzflüsse
Um die Ziele der Agenda 2030 doch noch erreichen zu können fordert Guterres in seinem Bericht unmissverständlich eine Beschleunigung in allen Ländern. Und Geld für die Finanzierung. Dazu gehören auch Massnahmen gegen die Verschuldung, die vielen Ländern im globalen Süden das Wasser für eigene Investitionen abgräbt: Anstatt in die SDGs zu investieren, müssen sie Schuldzinsen bezahlen.
Der Global Sustainable Development Report aus der Wissenschaft spricht ebenfalls klare Worte: Wandel sei unvermeidlich. Doch müsse ihm eine Richtung gegeben werden, damit durch ihn das Wohl der Menschen innerhalb der planetaren Grenzen gewährleistet werden kann.
Wichtig sei, nicht nur erneuerbare Systeme zu fördern, sondern gleichzeitig auch nicht nachhaltige Systeme auslaufen zu lassen. Dies stärkt die Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung und erhöht die Effizienz der getroffenen Massnahmen. Wenn keine Subventionen mehr in den Erhalt nicht nachhaltiger Systeme wie z.B. fossile Energieträger fliessen, ist auch mehr Geld für Investitionen in nachhaltige Systeme und erneuerbare Energien vorhanden.
Bildnachweis: „Projections on Sustainable Development Goals and 70th Anniversary of the United Nations“. CC-BY-NC-ND 2.0
Lizenz:Eva Schmassmann
Plattform Agenda 2030